
Hans-Henner Hess
*1973 in Berlin
lebt und arbeitet in Berlin
Webpräsenz: www.verlagderautoren.de/theater-verlag/theaterautorinnen/detail/autor/hans-henner-hess.html
„Alles, was man für einen Krimi braucht, ist ein guter Anfang und ein Telefonbuch, damit die Namen stimmen“ (George Simenon)
Hans-Henner Hess ist in Berlin-Mitte geboren und aufgewachsen, in der Nähe der Mauer, im Osten. Nach dem Abitur studierte er Jura. Bereits während der Studienzeit entdeckte er den Spaß am Fabulieren. Er erlebte viele Ereignisse, in denen die überformalisierte Sprache zu allerlei absurden Situationen führte. Diese boten viel Stoff für Erzählungen. Er schloss das Studium mit dem zweiten Staatsexamen ab und entschied sich sodann gezielt für das Leben eines „erfolglosen Schriftstellers“, ganz im existentialistischen Sinne. Allerdings sollte es schon für die Grunddinge des Lebens reichen.
Er schrieb zu Beginn Songtexte und erste Romane, die jedoch von den Verlagen zunächst nicht übernommen worden waren. Sein Plan des „erfolglosen Autors“ ging jedoch nicht auf: Nach ersten schriftstellerischen Gehversuchen wurde er ein vielfach beauftragter Drehbuchautor für diverse Fernsehproduktionen. Hess schrieb u.a. für die „Die Rosenheim Cops“ und „Der Zürich-Krimi“ und konnte sich hier bereits intensiv mit dem Krimi-Genre auseinandersetzen. Das Romanschreiben behielt er dabei immer fest im Blick.
So entwickelte er in den 2010er Jahren die Krimireihe rund um den extrem entspannten Anwalt Fickel, der als beruflicher Ostjurist nach der Wiedervereinigung mit dem westdeutschen Recht konfrontiert wird und sich mit unkonventionellen Methoden im thüringischen Meiningen durch das Leben schlägt. Dabei war sein erster Roman „Herrentag“ (2013) zunächst als in sich abgeschlossene Erzählung gedacht. Ihm kam die Idee für den Erstling auf der Basis loser Handlungsstränge in der Bretagne. Nach einem Bad im kalten Meer war das Konzept fertig. Der Verlag sah in dem überzeugend dargestellten thüringischem Lokalkolorit und den schillernden Begleitpersonen Potential für eine ganze Reihe.
Hess wählte den unüblichen Namen „Fickel“ für seinen Hauptprotagonisten, ein Name, der in der thüringischen Region durchaus öfter vorkommt – als Familienname oder umgangssprachlich für „Ferkel“, genauso wie „Gundelwein“, „Driesel“ und „Schmidtkonz“. Hier passt der Bezug zur Relevanz eines Telefonbuchs (Simenon). Nach seinem Verständnis wäre ein „Anwalt Meyer“ weniger passend für den sehr speziellen Charakter gewesen. So bezieht der im Strafrecht juristisch nicht vorbelastete Anwalt Fickel seine Kenntnisse aus amerikanischen Krimiserien der 80er Jahre (“Herrentag”). Auch verfällt er immer wieder den Versuchungen der typischen thüringischen Wurstgerichte: „Der Fickel verfluchte Rotwurst und Nudelsalat in seinen Eingeweiden und strampelte, was seine Muckis hergaben.“ (aus „Herrentag“)
Die nächsten drei Romane konnte Hess gut weiterentwickeln, da die erdachten Personen genug Entwicklungsmöglichkeiten boten. Die Ideen leitete er dabei aus Beobachtungen an Originalschauplätzen und aus vielen Gesprächen ab. So ergab sich auch die Idee für das Mordmotiv im Roman “Der Bobmörder” aus einem Gespräch im Materialschuppen der Rennrodelbahn Oberhof. Bisher sind neben „Herrentag“ noch „Der Bobmörder“ (2014), „Das Schlossgespinst“ (2016) sowie „Grillwetter“ (2017) erschienen. An seiner Krimireihe begeistert Hess, dass er sich weiterhin mit dem juristischen Thema auseinandersetzen und die Justiz liebevoll auf den Arm nehmen kann. Gleichzeitig nähert er sich dem Thema „Ostdeutschland“ mit einem von Humor getragenen Ansatz und der liebevollen Beschreibung der Region und der Menschen.
Immer wenn es die Zeitfenster zwischen TV-Drehbüchern zulassen, nutzt Hess kreative Phasen, um an seinen Romanen zu arbeiten. Zur Freude seiner Fans ist ein fünfter Fickel-Roman geplant. Darüber hinaus arbeitet er an einem historischen Roman, der eine vollständig andere Art der Recherche erfordert. Hier gilt es immer zu prüfen, welche Artefakte es zu der Zeit bereits gegeben hat oder erst noch erfunden werden mussten. Er beschreibt es als ein anderes Arbeiten, da er die Geschichte stark faktenbasiert steuern muss. In den Krimis lässt er die Figuren laufen und sich selbst entwickeln. Beides hat für ihn seinen speziellen Reiz.
(Text: Jürgen Rasch/Mai 2022)