
Nike Seifert
*1970 in Hannover
lebt und arbeitet in Köln
Website: https://nikeseifert.de/
Geschichtete Farbpigmente
Piet Mondrian reduzierte seine Malerei in den 1920er Jahren auf horizontale und vertikale Linien und eine begrenzte Farbpalette. Er vermied jede Illusion von Tiefe oder Perspektive. Dennoch sah er in der Horizontalen die Linie des Meeres und in der Vertikalen die aufrechte Haltung des Menschen also archetypische, gegenständliche Bezüge. Diese kritisierte sein Künstlerkollege Theo van Doesburg. Um sich von Mondrians Restgegenständlichkeit, vielleicht besser, Essenzgegenständlichkeit abzugrenzen, führte er in seinen radikal abstrakten Arbeiten die „diagonale Linie“ ein.
Warum dieser kleine kunsthistorische Exkurs? Weil Nike Seiferts Farbarbeiten frei von solch fundamentalen Ab- und Ausgrenzungen sind. Sie sind frei von programmatischen Ansprüchen und öffnen so umso mehr Assoziationsräume. In ihren Arbeiten finden sich Linien in allen denkbaren Richtungen, zumeist unterbrochen und gebogen, durch Farbflächen konturiert. Auch gegenständliche Bezüge Wasserflächen, Landschaften. Bei näherem Hinsehen sind auch figurale Elemente erkennbar. In einigen Arbeiten sind explizit Figuren, etwa Feuerwehrleute, Fuchs und Clown, motivisch ddargestellt. Und allen Bildern sind Titel beigegeben, die Interpretations- und Sehrichtungen vorschlagen, ohne diese festzulegen. Mit der Titelfindung schließt Seifert den Arbeitsprozess ab. Ein Prozess, den sie selbst als ein Abenteuer bezeichnet, bei dem sie nicht weiß wie und womit er endet. Erst mit dem Titel wird die Arbeit zu einem Bild. Eine Antwort auf die drängende Frage, woher eine Künstlerin, ein Künstler weiß, wann ein Bild fertig ist.
Aber im Vordergrund der Bilder von Nike Seifert steht die Farbe, die schichtenweise auf- und abgetragen wird: be-, ent- und aufdeckend. Farbe ist nicht, wie in der additiven Farbtheorie über die Mischung der drei Grundfarben, Rot, Grün und Blau erschöpfend beschrieben. Farben, oder zumindest Farbwirkungen, werden nicht durch drei Zahlenwerte zwischen 0 und 255 erfasst (man versuche es etwa mit der Farbfestlegung in Office-Programmen). Gegen eine solche Reduktion hat sich bereits Goethe in seiner Farbenlehre gewandt, die den Fokus auf das menschliche Geistes- und Seelenleben legt. Diese im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtige Farbbedeutung wird in Seiferts reliefartigen Farbbildern deutlich. In diesen wird die Arbeit an und mit der Farbe deutlich.
Nike Seifert, 1970 in Hannover geboren, hat zunächst Jura studiert, und anschließend eine Lehre als Vergolderin abgeschlossen. Sie war bereits einige Jahre als freie Künstlerin tätig, bevor sie die Meisterklasse des langjährigen Leiters der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf, Markus Lüpertz besuchte und als Meisterschülerin abschloss. Kunst und Malerei eröffnen für Nike Seifert nach eigener Aussage ein Universum. Gut, dass sie mit ihren Arbeiten ein weiteres Universum zu dem Multiversum Kunst hinzufügt.
(Text: Dr. Thomas Ebers/Juni 2025)